lagazelle - Wonnemonat Mai

Gespräch mit dem Mai

Ich muss zugeben , daß ich in diesen Tagen oft traurig und betrübt bin . Baut sich doch besonders durch die regierenden Reihen oft zuviel Zynismus und Ignoranz gegen ihr Volk auf und durch die Medien sehe ich kriegerisches Gehetze hereinstrahlen.
Aber zum Glück kann ich mich auf mein Rad schwingen und weit hinaus fahren , wie an diesem wunderschönen Maitag.
So flog ich aus , ließ mich vom Duft der Rapsfelder und von den den Farben der Natur führen und blieb hier und dort stehen.
Schließlich entschloss ich mich , an einem meiner Lieblingsplätze mich niederzulassen . Ich stellte mein Rad ab und spazierte zu den Obstbäumen, um mir dort ein schattiges Plätzchen zu suchen. Und da luden mich auch schon zwei Obstbäume zu sich , ein Apfel-und ein Birnbaum , die dort nebeneinander standen und sich liebevoll berührten. Ich fühlte eine Geborgenheit und ließ mich zwischen den Wiesenblumen nieder. Ich hörte noch das Zwitschern der Vögel und fiel dann in ein Schläfchen.
Nur sah ich dann im Traum plötzlich dunkle Gestalten und es überkam mich eine kalte Angst , so daß ich glaubte , weglaufen zu müssen. Doch stattdessen wachte ich auf durch einen Vogel , der neben mir aufflog und es war wirklich nur ein Angsttraum den ich zuvor hatte. Der Vogel saß dort oben im Obstbaum , schaute herab und sang mir ein Lied vor. Es war eine Amsel und als ich horchte , dachte ich bei mir :" Es ist wirklich ein Wunder , daß so ein schwarzer unscheinbarer Vogel , der nicht gerne hoch fliegt , so schön singen kann ".
Plötzlich war mir , als ob eine warme , melodische Stimme zu mir spricht : " Hallo , liebes Menschenwesen ". Ich schaute hoch zur Amsel und fagte "sprichst du jetzt etwa mit mir ?" Prompt kam eine Antwort : " Ich spreche jetzt durch jedes Wesen in der Natur , ob ein Vogel , ein Blatt oder ein Baum , oder gar durch einen rauschenden Bach".
"Aber wo und wer bist du ?" so fragte ich benommen und schaute mich um .
" Ich bin der Mai und kenne dich gut und ich wollte dich nicht erschrecken , nur aus dunklen Träumen aufwecken. Ich weiß doch , daß du mich immer geliebt hast und jeden Frühling auf mich wartest . Ich weiß auch , daß du oft in deiner Liebe abgewiesen wurdest , durch Menschen , die in meinem Namen zu dir sprachen. Ich sah dich traurig und es war manchmal , als ob du mich dieses Jahr nicht richtig siehst , weil ein Schleier vor deiner Seele war . Ich erwidere nun deine Liebe , indem ich mich offenbare , damit du den Schleier wegschiebst und mich ansiehst . Deshalb bist du doch hier , indem du bei mir die Einsamkeit suchst , um dich nicht mehr alleine zu fühlen. Und hier bin ich , dir ganz nah und möchte dir etwas Wertvolles mitgeben , was du noch für deine Reise durch dieses Jahr brauchen kannst . Ich kann doch nicht mehr lange hiersein und nutze jetzt die Zeit zu einem trauten Gespräch mit dir." Diese wärmende , lächelnde Stimme gelangte direkt in mein Herz und ich fühlte wirklich gleich Schmetterlinge im Bauch , so als hätte ich mich verliebt.
" Die meisten Wesen in der Natur können mir jetzt kaum widerstehen und geben sich mir gerne hin " , sagte mir der Mai mit einem hellen Lächeln in der Stimme und doch einer warmen Tiefe . " Dann bist du bestimmt sehr machtvoll " so entgegnete ich. " Aber nein " , sagte der Mai , " ich besitze keine Macht . Aber ich kann inspirieren , und jedes Wesen , das sich dafür öffnet . Die Macht liegt in dem , was dann in den Wesen damit entfacht wird. Das Blut , daß dann durch die Adern der Tiere und Blätter fließt und die Säfte , die überall hochsteigen , um die Wesen zum Liebesspiel zusammenzubringen . Und überall vermischen sich Düfte , Gesang und Blütenstaub miteinander , gehen Verbindungen ein mit der Erde und dem Wasser . Dies hat wenig zu tun , mit dem was meist Menschen unter Macht verstehen , die bei ihnen ein Spiel ist . Macht drückt sich bei euch oft durch eine oder mehrere Personen aus , die einen mehr oder weniger dunklen Mantel umgibt und die Entscheidungen für euch treffen , die euch oft nicht schmecken. Trotzdem akzeptiert ihr sie , denn sie haben den Mantel an .
Bei uns und in der Natur ist Macht etwas Strahlendes , das sich durch Viele und Vieles zusammensetzt , das zusammenwirkt und dadurch Vieles und Heilsames bewirken kann , zum Beispiel die reine Lebensfreude. Und auch du kannst ein Teil davon sein und bist es , wenn du es einfach zuläßt. " So umgarnte mich der Mai mit seiner Stimme und seiner tiefen Offenbarung , so daß ich mich einer tiefen Liebe hingeben wollte. Und ich wollte es im ebenso tiefem Vertrauen zulassen und tat es .
" Ja , ich verstehe und ich danke dir sehr , mein innig geliebter Mai , daß du mich an dieser Stelle abholst . Und weißt du was ? Ich habe keine Angst mehr ". So sprach ich Richtung Himmel und zu den Zweigen des Obstbaumes , wo die Amsel noch immer ihr Lied sang. Ich fühlte , wie der Mai mit mir lächelte und wie ich glücklich mit ihm verschmolz.
"Mein liebstes Menschenwesen " , so entgegnete er mir warm " das ist mein Liebesgeschenk an dich, das dich durch dieses Jahr tragen soll . Es ist die wirkliche und tiefe Wertschätzung , die dir aus der Verbindung zu den Schätzen der Erde Kraft gibt. In dir ist ein Schatz verborgen , du süßes Wesen , und damit hast du Teil an einer Macht , die dich schützen soll für die kommenden Tage . So , mein Liebes nun denke nicht mehr zuviel und genieße dein Glück und unser Hiersein. "
Mit einem Gefühl der Seligkeit hielt ich ein Schläfchen und wachte erfrischt nach einiger Zeit auf , fühlte die warme Frühlingssonne auf meiner Haut , sah all die blühenden Farben und eine Amsel , die dort oben im Obstaum ihr Lied sang.
Nun , ich wußte nicht mehr , ob es ein Traum war , das ich erlebt hatte . Nur , daß ich eine wunderschöne Liebesbegegnung hatte und daß die dunkle Schatten verschwunden waren.

Von LAGAZELLE am 8.11.2011